Im Zusammenhang mit Wahlen und Politik in den USA tauchte in den letzten Jahren verstärkt der Begriff des Gerrymandering auf; auch im deutschen Fachsprachgebrauch ist das Wort inzwischen zu finden. Doch was ist Gerrymandering überhaupt und wie wirkt es sich auf die US-Wahlen aus?

Woher kommt der Begriff Gerrymandering?

Das Wort ist keineswegs neu, es stammt sogar schon vom Anfang des 19. Jahrhunderts. Der damalige Gouverneur von Massachusetts, Eldridge Gerry, hatte auf einer Karte freihändig seinen Wahlkreis eingezeichnet. Die gezeichnete Form erinnerte Betrachter an die Form eines Salamanders und eine Bostoner Tageszeitung machte aus dem Namen des Gouverneurs und der aufgemalten Kontur das „Gerrymandering“.

Hintergrund: Amerikanische Wahlkreise

Das amerikanische Wahlsystem beruht auf dem Prinzip „The winner takes it all“. Das lässt sich zum Beispiel bei den Präsidentschaftswahlen beobachten: Der Kandidat, der in einem Bundesstaat die meisten Stimmen bekommt, auch wenn es nur eine einzige mehr ist als der Gegner, bekommt alle Wahlleute aus diesem Bundesstaat zugesprochen. Das gleiche Prinzip wird auch bei Wahlen auf anderen Ebenen angewandt, etwa bei den Wahlen der Vertreter einer Region im Repräsentantenhaus auf Bundes- und Bundesstaatsebene.

In den USA gibt es insgesamt 435 Wahlkreise, aus denen 435 Abgeordnete ins Repräsentantenhaus entsandt werden. Der Zuschnitt dieser Wahlkreise obliegt in den meisten Fällen der jeweils gerade amtierenden Regierung der Bundesstaaten und diese Regelung öffnet die Türen für manipulatives Gerrymandering. Jeweils nach der alle zehn Jahre stattfindenden Volkszählung (Census), bei der die Einwohnerzahlen ermittelt werden, müssen die Wahlbezirke an die sich oft schnell verändernden Gegebenheiten angepasst werden, denn jeder Wahlkreis soll etwa gleich viele Wähler umfassen.

Wie wird Gerrymandering eingesetzt?

Den Parteien stehen in den USA sehr genaue Daten über die Wählerschaft zur Verfügung. Man kann ziemlich exakt vorhersagen, ob die Bewohner an einer bestimmten Adresse eher für die eine oder die andere der beiden großen Parteien stimmen wird. Anhand dieser Daten kann eine Partie, die in einem Bundesstaat die Mehrheit hat, die Wahlbezirke so gestalten, dass die Chancen auf den eigenen Wahlsieg deutlich steigen. Zu diesem Zweck wird die vorgeschriebene Neuaufteilung der Wahlbezirke (Redistricting) genutzt, die mittels Gerrymandering zu einem parteipolitischen Instrument umgemünzt wird.

Dabei kommen im Wesentlichen zwei Verfahrensweisen zum Einsatz. Das ist einmal das Packing (Anhäufen). Bei dieser Methode wird ein Wahlbezirk so zugeschnitten, dass er eine möglichst große Zahl von Wählern des politischen Gegners umfasst. Das führt dazu, dass der Gegner diesen Bezirk mit hohem Vorsprung gewinnt und dabei viele eigene Stimmen „verschwendet“, weil die einfache Mehrheit ausreichen würde. Zugleich fehlen diese Stimmen aber in den benachbarten Bezirken, wo die eigene Partei somit weniger Gegenwehr hat und diese Wahlkreise für sich entscheiden kann.

Beim Cracking dagegen werden die voraussichtlichen Wähler der gegnerischen Partei so in Bezirke eingeteilt, dass sie dort gegenüber den Wählern der eigenen Partei in der Minderheit sind. Das wird zum Beispiel häufig in städtischen Ballungsräumen so gehandhabt. Man geht davon aus, dass die Wähler in der Stadt vorrangig die eine Partei wählen und die in den Vororten die andere.

Neben diesen beiden Haupttaktiken gibt es noch einige andere Vorgehensweisen. Beim Hijacking zum Beispiel schneidet man einen Wahlbezirk so, dass er den Wohnsitz von zwei Kandidaten der Gegnerpartei umfasst, was dazu führt, dass einer von beiden nicht gewählt werden kann.

Gerrymandering und die Folgen

Gerrymandering hat sich in vielen Fällen als äußerst effektives Mittel erwiesen, das sowohl von den Demokraten als auch von den Republikanern eingesetzt wird, wenn es möglich ist. Ein Beispiel sind die Kongresswahlen 2012 in Pennsylvania. Die Demokraten holten in dem immer hart umkämpften Bundesstaat eigentlich knapp über 50% aller abgegebenen Stimmen, dank des vorher von der republikanischen Mehrheit in Pennsylvanias Parlament durchgesetzten Gerrymanderings aber gewannen sie damit nur fünf der 18 Sitze in dem Bundesstaat.

Der Supreme Court hat das Gerrymandering grundsätzlich als rechtmäßig eingestuft, trotzdem landen Fälle der Wahlbezirkseinteilung immer wieder vor den Gerichten. So gab es bereits Fälle, in denen Wahlkreisgrenzen absichtlich so gezogen wurden, dass sie eine fast ausschließlich schwarze Bevölkerung erfassten („Packing“, da die schwarze Bevölkerung mehrheitlich die Demokraten wählt). Diese Vorgehensweise wurde von Gerichten aber wiederholt als diskriminierend eingestuft und untersagt.

Doch auch wenn keine Diskriminierung erfolgt, nimmt das Gerrymandering erheblichen Einfluss auf den Wert einer abgegebenen Stimme und verfälscht somit das Wahlergebnis, in dem eigentlich jeder Bürger und jede Bürgerin gleichermaßen repräsentiert sein soll. Gerrymandering führt dazu, dass abgegebene Stimmen in vielen Fällen verloren sind, weil sie entweder zu einer ohnehin bestehenden Mehrheit hinzukommen oder weil sie gegen die Stimmen der anderen Seite keine Chance haben. In einigen Bundesstaaten ist man auf Grund dieser Entwicklungen inzwischen dazu übergegangen, die notwendigen Neueinteilungen von Wahlbezirken einer unparteiischen Kommission zu übertragen. Die Demokraten haben 2022 versucht, ein Bundesgesetz zu erlassen, mit dem parteipolitisches Gerrymandering verboten wird, scheiterten jedoch an einer Blockade der Republikaner. Es ist zu erwarten, dass sich der Oberste Gerichtshof der USA in absehbarer Zeit erneut mit der Rechtmäßigkeit von Gerrymandering beschäftigen wird.


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