Ein großer Teil der Arbeit der Cowboys und Cowgirls in den USA bestand vor einiger Zeit noch darin, riesige Rinderherden über hunderte Kilometer über oft karges Land zu führen auf dem Weg zum Verladebahnhof, von wo aus die Tiere zu den in anderen Teilen des Landes gelegenen Schlachthöfen gebracht wurden. Den Cowboys kamen dabei zahlreiche wichtige Aufgaben zu: Sie mussten nicht nur rund um die Uhr auf die Herde achten und sowohl Diebstahl als auch die Flucht der Tiere verhindern, sie mussten auch dafür sorgen, dass die Rinder gesund und in gut genährtem Zustand am Bahnhof ankamen. Um dies zu erreichen, musste ein Kompromiss gefunden werden zwischen dem Auftrag, möglichst schnell zur Verladung zu gelangen und der Vorgabe, den Tieren nicht zu viel abzuverlangen.

Dieser Kompromiss erforderte, dass ein langsameres Tempo als es möglich gewesen wäre angeschlagen wurde und dass den Rindern genug Zeit zum Grasen auf dem Weg eingeräumt wurde. Das Ergebnis war, dass sich eine Herde, die in aller Regel aus 2000-4000 Tieren bestand, täglich nur um etwa 25 Kilometer vorwärts bewegte. Angesichts einer Entfernung, die schon einmal mehr als tausend Kilometer betragen konnte, mussten für einen Cattle Drive mehrere Wochen eingeplant werden. An einem solchen Viehtrieb waren bis zu zehn Cowboys und 30 Pferde beteiligt.

In der Blütezeit der Viehtriebe, bevor die Eisenbahngleise den Westen erreichten und die Schlachthöfe nicht mehr nur im Mittleren Westen zu finden waren, wurden allein aus Texas rund 20 Millionen Rinder zu den Verladestellen in Kansas gebracht, von wo der Transport nach Chicago begann. Entlang der am meisten genutzten Strecken etablierten sich feste Rastplätze, aus denen sich kleine Städte entwickelten, die noch heute oft als “Cow Towns” oder “Cattle Towns” bezeichnet werden. Die Orte am Ende der Strecke waren die, in denen die Cowboys das gerade verdiente Geld in Alkohol und andere Vergnügungen investierten und so hatten viele dieser Orte, zu denen unter anderem Dodge City und Abilene gehörten, damals einen eher zweifelhaften Ruf. In einigen Orten wurden Town Marshals berufen, die für die öffentliche Ordnung sorgen sollten; zu diesen gehörte beispielsweise der berühmt gewordene Wyatt Earp.

Anfangs wurden vor allem die Märkte im Mittleren Westen, dann in Kalifornien und während des Bürgerkriegs in den Südstaaten mit Rindern versorgt, vornehmlich mit den in Texas gezüchteten Longhorns. Die auch als Shawnee Trail bezeichnete und durch Indianergebiet führende Texas Road hatte zahlreiche Siedler in Richtung Westen geführt, Mitte des 19. Jahrhunderts nahmen nun Viehtriebe die umgekehrte Richtung. Schon bald jedoch führte die Nutzung dieser Route zu Konflikten, als Farmer in Missouri und Kansas die Viehtriebe blockierten, weil die Rinder Zecken einschleppten, die den heimischen Tieren schadeten. Bald wurden Gesetze erlassen, die es den texanischen Ranchern verboten, ihr Vieh durch diese Territorien zu führen.

1865 wurde in Chicago von Philip Danforth Armour die erste Fabrik zur Verpackung und Kühlung von Rindfleisch nebst angeschlossenem Schlachthof eröffnet und fortan konnten von dort aus viele weitere, lukrativere Märkte, sogar in Europa, versorgt werden. In Abilene in Kansas wurde kurz darauf eine neue Verladestelle errichtet, die fortan das bei weitem wichtigste Ziel für Viehtriebe aus Texas werden sollte. Der neue Zielort war bitter nötig, denn am Ende des Civil War gab es in Texas Millionen Rinder und kaum noch Märkte, die für die Rancher erreichbar waren. Als wichtigste Route etablierte sich dann der Chisholm Trail, der aus dem texanischen Süden nach Abilene führte.

Der Weg ist benannt nach Jesse Chisholm, einem indianischstämmigen Kaufmann, der sich bereits durch die Gründung einiger Handelsposten im heutigen Oklahoma einen Namen gemacht hatte. Seine Arbeit, die Strecke auszukundschaften, erwies sich als sehr wichtig für die texanischen Rancher, denn in den Märkten in anderen Landesteilen konnten sie das Zehnfache des in Texas gültigen Preises erwirtschaften. 1866 wurden die ersten 2400 Rinder über den Chisholm Trail getrieben, ihnen sollten in den folgenden Jahren geschätzt rund fünf Millionen weitere folgen. Dabei war die Wegstrecke alles andere als einfach zu bewältigen – es gab Felsen, Berge und endlose Prärien zu überwinden, Bäche und sogar Flüsse wie der Arkansas River zu bezwingen; Indianervölker verlangten Wegzölle und auch das Wetter entfaltete sich während der mehrwöchigen Cattle Drives oftmals mit voller Kraft über den Cowboys. Der Chisholm Trail wurde zur bekanntesten und wichtigsten Strecke für die Texaner, um ihre Rinder zu verkaufen. 1876 wurde die Gleisstrecke der Eisenbahn bis nach Fort Worth verlängert, wo es ebenfalls Schlachthöfe gab und das stellte nicht nur eine enorme Erleichterung für die Rancher dar, sondern auch einen bedeutenden wirtschaftlichen Vorteil.

Heute müssen keine endlos langen Viehtriebe mehr durchgeführt werden. Sie finden in aller Regel nur noch auf dem Gelände von Ranches statt, um Rinder von einer Weide zur anderen zu bringen – eine auch bei Touristen, die einen Ranchurlaub in den USA verbringen, sehr beliebte Aktivität. Sollte doch einmal die Notwendigkeit bestehen, mehrere Tiere an einen weiter entfernten Ort zu bringen, werden heute LKW benutzt. In verschiedenen Museen im Westen und Südwesten der USA finden sich Exponate, die an die Zeit der großen Cattle Drives erinnern und im Stockyards-Viertel von Fort Worth findet jeden Tag eine Miniaturausgabe eines Viehtriebs vor einem aus Touristen bestehenden Publikum statt.


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