Als Sturm auf das Capitol bezeichnet man das Vordringen teilweise bewaffneter Anhänger von Donald Trump in das US-Capitol in Washington am 6. Januar 2021. Die Angreifer wollten damit erreichen, dass das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahlen vom November 2020 nicht zertifiziert, also festgeschrieben wird. Bei den Ausschreitungen sind fünf Menschen ums Leben gekommen, rund 150 wurden verletzt. Das Ereignis hat Entsetzen ausgelöst, weil es sich dabei um einen Angriff auf die Ordnung und Regeln der amerikanischen Demokratie auf der Basis von Verschwörungstheorien handelte, die unter anderem vom noch amtierenden Präsidenten Trump verbreitet wurden. Trump wird zudem vorgeworfen, seine Anhänger zu diesem Angriff zumindest indirekt aufgefordert zu haben.

Vorlauf

Im Laufe des Jahres 2020 zeichnete sich in den Umfragen immer deutlicher ab, dass der amtierende Präsident Donald Trump die Präsidentschaftswahl gegen Herausforderer Joe Biden verlieren würde. So begann er schon Monate vor dem Wahltermin, Zweifel an deren Rechtmäßigkeit zu säen. Wegen der Corona-Pandemie hatten viele Bundesstaaten die Möglichkeiten zur Briefwahl deutlich erweitert und Trump sah darin das Potenzial für weitreichenden Wahlbetrug – eine These, die allerdings keine faktische Basis hatte. Am Wahlabend wurden dann zuerst die persönlich abgegebenen Stimmen ausgezählt, bei denen Trump in einigen der entscheidenden Bundesstaaten zunächst vorn lag. Als später dann die Briefwahlstimmen ausgezählt wurden, wandelte sich das Bild. Obwohl diese Entwicklung vorhersehbar und erklärbar war, witterten einige Trump-Anhänger angesichts des Aufholens von Biden Betrug. Die endgültige Auszählung zog sich nach dem Wahlabend noch einige Tage hin. In dieser Zeit wurden die Stimmen, die einen Betrug zugunsten Bidens vermuteten, lauter. Auch Trump selbst sorgte mit zahlreichen Äußerungen, darunter die berühmt gewordene Aufforderung, die Zählung abzubrechen („Stop the count!“), für ein weiteres Aufheizen der Stimmung. Trotz der klaren Wahlniederlage erklärte Trump sich später zum Sieger und ließ seine Anwälte gegen deren Rat insgesamt 60 Klagen gegen die Stimmenauszählung einreichen, die alle abgewiesen wurden, weil ihnen die rechtliche Substanz fehlte. Mehreren Quellen zufolge soll er sogar die Möglichkeiten zur Einführung des Kriegsrechts überprüfen lassen haben, um das Wahlergebnis für nichtig zu erklären.

In den USA stellen die einzelnen Bundesstaaten das Wahlergebnis fest und senden es dann in versiegelten Umschlägen nach Washington. Dort werden die Umschläge am 6. Januar vor dem Kongress im Capitol geöffnet und so das Wahlergebnis im Land endgültig festgeschrieben.




Trumps Rolle beim Sturm auf das Capitol

Am Vormittag des 6. Januar 2021 fand die Demonstration „March to Save America“ in Washington statt, zu der Trump-Unterstützer seit Wochen aufgerufen hatten, um gegen die vermeintlich gefälschte Wahl zu protestieren, Trump selbst forderte seine Anhänger wiederholt auf, an der Demonstration teilzunehmen und kündigte sein Erscheinen an. Bereits Wochen vor dem Datum diskutierten Trump-Anhänger in sozialen Netzwerken, wie an diesem Tag eine Erstürmung des Capitols erfolgen könne und besprachen unter anderem, einzelne missliebige Politiker zu ermorden. Diese Konversationen waren auch dem FBI und anderen Sicherheitsdiensten nachweislich bekannt, so dass davon ausgegangen werden muss, dass auch das Weiße Haus informiert war. Bereits am 5. Januar wurden mehrere Personen bei dem Versuch festgenommen, Waffen in das waffenfreie Gebiet rund um das Capitol zu schmuggeln, zudem konnten Rohrbomben in der Nähe des Gebäudes entdeckt und unschädlich gemacht werden.

Bei der Veranstaltung am 6. Januar sprachen zunächst einige Trump-Getreue. Redner wie Trumps Söhne Eric und Donald Jr. oder Rudy Giuliani forderten Trumps Anhänger zum Kampf auf, nannten die Namen einiger Abgeordneter, die sich dem Protest gegen die Wahlergebnisse nicht angeschlossen hatten und wiederholten Verschwörungstheorien, wonach die Wahlmaschinen manipuliert seien. Trump selbst sprach ab 12 Uhr und wiederholte, dass er eine Niederlage niemals eingestehen würde. Er rief Vizepräsident Pence, der als Vorsitzender der Kongressversammlung fungieren würde, dazu auf, das Wahlergebnis für ungültig zu erklären. Zudem forderte er seine Anhänger auf, zum Capitol zu gehen, zu „kämpfen“ und „Stärke zu zeigen“. Während der Rede erklangen Rufe wie „Kämpft für Trump“ oder „Stürmt das Capitol“. Trump kündigte an, selbst mit zum Capitol zu ziehen, was er aber am Ende nicht tat.


Der Sturm auf das Capitol

Noch während der letzten Worte von Trumps Rede waren rund 8.000 Menschen vom Versammlungsort zum nicht weit entfernt liegenden Capitol gezogen, bereits kurz vor 13 Uhr wurde die erste Barriere an dem Gebäude aus dem Weg geräumt und die Menge, angeführt von Mitgliedern der Trump-treuen Organisation „Proud Boys“ strömte auf das Gelände des Capitols. Trotz der Warnungen waren die Sicherheitskräfte am Capitol nur sehr schwach vertreten und hatten dem Mob nichts entgegenzusetzen. Einige Minuten später wurden Sicherheitskräfte attackiert, zum Teil mit Tränengas oder Eisenstangen. Ein Polizist starb später an den Folgen von Schlaganfällen, die er durch massive Attacken mit Pfefferspray erlitten hatte. Einige Teilnehmer begannen, an den Außenwänden des Gebäudes hochzuklettern, um hineinzugelangen, andere versuchten die Türen aufzubrechen. Im Inneren wurden die Abgeordneten in sichere Räume gebracht, die Mitglieder des Repräsentantenhauses verbarrikadierten sich im Sitzungssaal und setzen zum Teil Gasmasken auf. Vizepräsident Pence wurde durch einen Notfalltunnel evakuiert. Um kurz nach 14 Uhr wurden mit Hilfe von entwendeten Polizeischilden und Holzlatten Fenster eingeschlagen und die Angreifer gelangten in das Gebäude. Dabei kam es zu einem Todesfall, als ein Polizist im Inneren in Richtung der Türen schoss und eine der Einbrecherinnen tödlich traf. Es wird geschätzt, dass rund 10.000 Menschen auf das Gelände des Capitols vordrangen, rund 800 betraten das Gebäude. Sie trugen neben amerikanischen Flaggen auch die Fahne der Konföderation in das Capitol, teilweise waren auch Nazi-Symbole zu sehen. Einige der Angreifer waren mit Kampfanzügen, Helmen, Walkie-Talkies und anderen Dingen ausgestattet, was darauf hindeutet, dass der Einbruch in das Capitol sorgfältig geplant war. Auch Messer, Äxte, Tränengas und andere Waffen wurden in das Gebäude gebracht. Im Inneren wurde erheblicher Sachschaden angerichtet, die Eindringlinge verwüsteten unter anderem die Büros von Abgeordneten, schmierten Fäkalien an die Wände, posierten im Sitzungssaal und entwendeten mehrere Gegenstände. Trump verfolgte die Ereignisse den ganzen Nachmittag am Fernseher. Noch am Nachmittag, während der Senatssaal evakuiert wurde, rief er zwei republikanische Senatoren in dem Gebäude an, um sich zu vergewissern, dass sie gegen eine Zertifizierung des Wahlergebnisses stimmen würden. Nach zahlreichen Aufforderungen, auf seine Anhänger einzuwirken, veröffentlichte er um 16:22 Uhr ein Video auf sozialen Netzwerken, in denen er allerdings seine Anhänger lobte und erneut von Wahlbetrug sprach. Facebook, Twitter und YouTube sperrten das Video später. Kurz nach 18 Uhr schrieb er auf Twitter, diese Ereignisse seien eben das, was passiert, „wenn den so lange unfair behandelten Patrioten der erdrutschartige Wahlsieg auf teuflische Weise weggenommen wird“.


Nach dem Angriff

Erst um 18 Uhr war das Capitol wieder frei von Eindringlingen. Um 20 Uhr im Senat und um 21 Uhr im Repräsentantenhaus wurden die unterbrochenen Sitzungen wieder aufgenommen, das Wahlergebnis wurde letztlich nachts um 3:24 Uhr zertifiziert.

Am 13. Januar stimmte der Senat über das zweite Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) gegen Trump wegen seiner Rolle für den Sturm auf das Capitol ab. Die Mehrheit stimmte für die Amtsenthebung, auch sieben Republikaner stimmten mit den Demokraten, doch die erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde nicht erreicht. Mehrere Mitglieder der Trump-Regierung traten von ihren Posten zurück und Trumps Nutzerkonten auf sozialen Netzwerken wurden gesperrt.

Nach eingehenden, großangelegten Untersuchungen nahm das FBI mehr als 600 Personen im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Capitol fest. Nach der Amtsübernahme durch Joe Biden starteten mehrere Untersuchungen von Kongressausschüssen, um die Rolle Trumps und anderer Mitglieder der Regierung bei den Ausschreitungen zu ermitteln.


Hinweis: Eine leicht gekürzte Version dieses Textes erscheint auch auf unserer Webseite Trump-Chronologie.